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Berkach bei Groß-Gerau
Die Befragung fand am 30.7.1943 statt im Saal des schönen klei-
nen Rathauses.Anwesend waren die folgenden Gewährsleute.
a. Philipp Gütlich, geb. 1865, Landwirt, Vater stammt aus
Berkach, Mutter aus Goddelau.
b. Magarete Schaffner, geb. Lochmann, geb.1870, Maurers-
frau, Vater von Gross-Gerau, Mutter aus Rossdorf bei
Darmstadt, in Gross-Gerau geboren, seit 1887 in Berkach
lebend.
c. Richard Weitz, geb. 14.1.1873, Bäcker, zugleich Gemeinde-
rechner, Vater aus Hockersdorf bei Fauerbach in Oberhes-
sen stammend, Mutter aus Berkach.
d. Jakob Hauf, geb.1869 Bauer, Vater aus Berkach, Mutter
aus Büttelborn stammend.
Die Befragung wurde durch einen Fliegeralarm unterbrochen, Nach
dem Alarm kam Frau Magarete Schaffner nicht mehr. Erst nach
träglich fand sich Herr Jakob Hauf ein, der aber wesentliche
Mitteilungen, insbesondere über die alten Weihnachtsumzüge usw.
machen konnte.Berkach hatte früher und heute etwa 300 Einwohner.
Kirchweihe: Früher und heute nur Kerb genannt, liegt auf den Sedans-
Tag, bez. den Sonntag nach Sedan.
-Ganz früher, in der frühesten Jugend der alten Gewährs-
leute, gab es in Berkach nur eine Wirtschaft mit einem
Saal.Dieser Saal stand noch vor der Zeit unserer Gewährs-
leute im Gross-Gerauer Park und wurde dann nach Berkach
verbracht, steht heute noch.Dann waren in Berkach zwei,
heute sind hier drei Wirtschaften mit Tanzsälen, Jede
Wirtschaft hatte früher ihre eigenen Kerweburschen und
zog mit diesen die Kerb auf.
-Kerweburschen sind die Jugendlichen von 15 Jahren ab bis
zur Verheiratung. Unter ihnen spielen die Gemusterten kei-
ne besondere Rolle.
Der Anführer der Kerweburschen wurde früher nur Kerwebursch
genannt, später, wahrscheinlich aber erst nach 1918, er-
hielt er die Bezeichnung Kerwevadder. Dieser Anführer
hielt im Kerwezug den Strauss in der Hand und sprach auch
den Kerwespruch. Sein Strauss war aus Blumen und Bänder
ohne einen versteifenden Stock gebunden.Er hatt beim Spruch
den Strauss in der Hand gehalten, nimmt ihn auch mit in
den Saal und behält ihn noch während des 1. Tanzes in der
Hand, auch wenn für die Kerweburschen ein Solo getanzt
wird, tanzt der Kerwevadder mit dem Strauss eine Runde vor.
Er ist nicht verkleidet, hat seine Sonntagskleider an und
wie alle Kerweburschen eine Schärpe um.
Früher haben sich auch mehere Kerweburschen verkleidet,
z. B. einer mit einer Sense, der andere mit einem Besen, sie
hatten Larven auf, waren wie die Klowens angezogen,
sie wurden wahrscheinlich Kerweboijass genannt.
-Als Kerwezeichen hing aus der Wirtschaft aussen eine
Fahne heraus, sie war rot-weiss und trug an der Stock-
spitze einen Blumenstrauss mit Bändern.Umtragen und Ver-
losen einer Kerwedecke usw.kam hier nicht vor.
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Vor der Wirtschaft stand schon immer ein Kerwebaum, der
am Kerwesamstagabend aufgestellt wird. Ganz früher wur-
de er im Wald geholt, wurde früher dort heimlich geschla-
gen, geschah in der Nacht, und heimgeschleift. Meistens
war es eine Tanne.Strafanträge wurden deswegen manchmal
gestellt, aber eigentlich nie ernstlich durchgeführt.Man
holte die Bäume vom Dornheimer–Gemeindewald, Berkach hat
keinen Wald.Später wurde statt des Baumes eine Floßhandstange
genommen.Diesen hat sich der Wirt angelegt. Er wurde dann
alljährlich wieder genommen.Oben an seiner Spitze wurde
nur noch eine Fahne und darunter ein Kranz angebracht. Der
Kranz war aus Eichenlaub, Blumen und Bändern.Später wur-
den ausserdem auch Flaschen angehängt. Kletterei am Baum
kam nicht vor.
In der Saalmitte hing kein Kranz, der Saal wurde höchstens
mit Girlanden geschmückt.
Das Ausstopfen, Mittragen usw. einer Kerwepuppe ist hier
nicht bekannt.
Verlauf der Kerb:
Wochen vorher kommen bereits die Kerweburschen in ihrer
Wirtschaft zusammen und beratschlagen über den Verlauf
der Kerb.eine Kasse haben sie nicht gebildet, jeder hat
die enstandenen Unkosten getragen.
Am Kerwesamstag-Abend wurde früher der Baum draussen heim-
lich geschlagen und still ins Ort geschleift, vor der Wirt-
schaft hergerichtet und aufgestellt.Dies war bis um 12 Uhr
in der Nacht geschehen.Beim Aufrichten wurden manchmal
einige Worte in Versform gesprochen. Für das Aufrichten des
Baumes hat der Wirt ein Fässchen geben müssen.Vor dem
Baum im Freien, und auch nicht anschliessend im Saal,. wur-
de getanzt.Die Burschen zogen darauf in die Wirschaft:
Die Kerb wurde angesoffen.
Nach Mitternacht, gegen 1 Uhr etwa ziehen die Burschen mit
Harmonikamusik vor das Dorf in der Richtung nach Büttel-
born zu, um die Kerb auszugraben. Dies geschieht an der
gleichen Stelle, an der sie im Vorjahr vergraben, bez. ver-
brannt wurde.Es bildet sich zum Holen der Kerb ein Zug,
aber ohne Fahnenschwinger, nur mit Harmonikamusik, die
Kerweburschen mit einem Schubkarren, mit Hacke oder Schippe.
Die Ausgrabungsstelle wurde nicht gesucht, auch nicht das
Suchen markiert. Man grub an einer Stelle, grub aber nichts
aus, der Schubkarren wurde wieder leer zurückgefahren. An-
schliessend tranken die Burschen in der Wirtschaft weiter.
Der Kewesonntag:
Mittags stellt sich der Zug auf. Der Zug hatte früher etwa
die folgende Ordnung:
Voraus geht ein Bursche, meist als Klown verkleidet, mit
Zylinder oder Spitzhut, in der Hand einen Reiserbe-
sen, damit machte er Kehrbewegungen und verschafft da-
durch dem Zug freie Bahn. Er wurde wahrscheinlich
Kerweboijass genannt.
Die eigentliche Zugspitze bildet der Fahnenträger, der
eine rotweisse Fahne im Takt der Musik schwenkt. Der
Bursche ist sonntäglich angezogen und trägt, wie alle
Kerweburschen, eine Schärpe.
-Nun kommen drei Reiter auf geschmückten Pferden. Der
mittlere trägt in der Hand einen Strauß. Er hat später
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Kerwevadder geheissen
Nun marschiert die Musik.
-Hinter der Musik gehen drei Burschen, sonntäglich geklei-
det, tragen weisse Schürzen und in den Händen Weinfla-
schen mit übergestülpten Gläsern. Sie boten daraus Be-
kannten und in den Pausen den Musikanten Wein an. Die
Weinflaschen hat der Wirt ihnen gestellt.
-Dahinter marschieren die anderen Kerweburschen, alle
in Sonntagskleidern und mit Schärpen.
-Früher waren auch schon Wagen im Zug, sie waren ge-
schmückt und wurden von Pferden gezogen. Auf den Wagen
wurden Dorfereignisse dargestellt, es kam aber auch
schon die Altweibermühle vor, der Rasierer usw.
-Den Zug umsprangen Burschen als Boijasse verkleidet,
schlugen mit Besen oder Papierklatschen auf die Kinder
ein, schlugen aber keine Purzelbäume. Es kam auch schon
vor,dass sie gesammelt haben wie die Handwerksburschen.
Nach besonderen Darstellungen und Gestalten im Kerwezug ge
fragt ergab sich folgende Antwort:
-Siebreiter ist hier ganz unbekannt
-Kerwerad war hier bereits im Kerwezug gewesen,mehr-
mals in den 80-er Jahren. Zwei Burschen sassen auf dem
Rad, sie waren als Klowns verkleidet, hatten Larven auf.
Das Rad war an beiden Bäumen, auf die man ein Puhl-
fass lagert, angebracht.
-Doppelgestalt, Dreibeiniger Bock sind nicht bekannt.
-achtfüssiger Schimmel trat früher im Weihnachtsumzug
auf, siehe bei Nickelsgestalt und Christkind.
Der Zug bewegte sich durch die Ortsstrassen vor die Wohnung
des Bürgermeisters. Hier wurde vom Hauptkerwebursch, bez.
dem Kerwevadder, der Kerwespruch gesagt. Dieser war gereimt,
er wurde pausenlos durchgesprochen, erst am Spruchende Mu-
sik. In dem Spruch wurden keine Dorfereignisse durchgehechelt.
Der Spruch wurde nur einmal gesprochen und zwar vom Pferde-
rücken herab. Dann ging es zur Wirtschaft zurück und der
Kerwetanz begann.
-Der Kerwetanz:
Der 1 Tanz gehörte den Kerweburschen,die erste Runde tanz-
te der Kerwevadder mit dem Strauss in der Hand allein. Die
Kerweburschen sind bei diesem 1.Tanz noch verkleidet, dann
ziehen sie sich um.
-Man kennt keine strengen Tanzsitten, z.B. wenn ein Mädchen
einem Burschen einen Tanz abschlägt, diesen Tanz aber mit
einem anderen Burschen tanzt.
-An alten Tänzen wurde getanzt: Walzer, Schottisch, Rheinländ-
der Polka, Polka-Marzurka, Kissentanz (der letzte hat sich
dünn gemacht),Siehst de net da kimmt er. Unbekannt ist
der Altkatholische, der Rasierertanz, der Besentanz. Damen-
walzer (Damenwahl) ist bekannt.
Der Kerwemontag:
Die Musikanten spielen vor den Häusern, bez. in den Höfen, den
Morgensegen. Die Kerweburschen sind dabei, unverkleidet, sie
heischen dabei nicht, nur die Musikanten bekommen Geld. Dabei
wird in den Höfen auch getanzt, man wird aber nicht bewirtet.
Es kam vor, dass zwei Burschen die Wixhäuser Kapelle (eine
Blindenkapelle, siehe bei Wixhausen) nachgemacht haben und
dabei Geld gesammelt haben, sie haben gesungen und Ziehhar-
monika gespielt. Nie kam am Kerwemontag ein Bär, auch sonstige
Verkleidungen sind hier nicht an diesem Tag bekannt.
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-Gickelschlagen ist hier ganz unbekannt.
-Preiskegeln kam am Kerwemontag hier schon öfter vor.
-Fasanenherausschiessen bestimmt einmal um 1910 nach Scheib-
ben, Preise waren Fasanen vom Gross-Gerauer Park.
Schubkarrenrennen, Hammelheraus tanzen usw. nicht bekannt.
-Vor dem Tanz am Nachmittag nochmals ein Umzug nur noch mit
Fahnenschwinger, Musik und Kerweburschen zu Fuss, ohne Rei-
ter und ohne Verkleidungen. Bildete die Einladung zum nun
beginnenden Tanz.
-Kerwedienstag wurde nicht gefeiert.
-Nachkerb war 8 Tage nach der Hauptkerb, nur noch Tanz. Die-
ser wurde allerdings durch einen einfachen Umzug wie am Ker-
wemontag eingeleitet.
Montagmorgen etwa um 4 Uhr wurde die Kerb begraben. In Wirk-
lichkeit wurde sie verbrannt ! Es bildete sich wieder ein
Zug, voraus der Fahnenschwinger, die Musikanten waren auch
noch dabei, die Kerweburschen. Einer unter ihnen trug auf
der Mistgabel einen Bosen Stroh. Die Kerweburschen trugen
keine Schärpen mehr, es hatte sich keiner als Pfarrer ver-
kleidet. Man zog vor das Ort an die Stelle, wo man am Sams-
tag Abend die Kerb ausgegraben hatte, dort legte man den Bo-
sen Stroh hin und zündete ihn an. Keine Rede dabei ge-
halten. Die Musik spielte, alle Burschen greinten. Man tanzte
nicht um den brennenden Bosen Stroh herum. Es waren mitunter
auch Mädchen dabei, diese aber sind nicht im Zug mitgezogen.
Dann Rückmarsch ins Dorf. Die Musik spielt: Muss i denn zum
Städtchen hinaus. In der Wirtschaft reicht der Wirt den Ker-
weburschen und Musikanten Quellkartoffel und Schmierkäs.
Manchmal ist dieses Schlussessen auch im Freien eingenommen
worden. Das Essen hatte keinen besonderen Namen.
-Der Kerwebaum blieb bis 8 Tage nach der Nachkerb stehen,
dann wurde er von den Kerweburschen umgelegt. Der Wirt stif-
tete ihnen ein Fass Bier, das die Burschen ohne Musik aus-
tranken. Man nannte diese abschliesende Veranstaltung nicht
Kerwebraten sondern Freibier.
Erntebrauch: Rundmähen: ganz unbekannt.
Wogen des Kornes: ohne besonderen Ausdruck. " Es staabt."
Letzter Sensenhieb: nicht bekannt.
Letzte Gabe: ohne Bräuche.
Letzter Erntewagen: Mitunter wurde er mit einem Strauss
geschmückt, den man an eine Gabel band. Die Gabel wurde
oben auf den Wagen gesteckt. Der Strauss bestand aus Gar-
tenblumen. Man hat ihn bereits zu Hause gerichtet. Manch-
mal band man auch Ähren zum Strauss zusammen. Ährenkranz
ist hier nicht bekannt.
-Nur arme Leute, die wenig Feld hatten,haben in der Jugend
der alten Leute noch die Frucht mit der Sichel geschnit-
ten. Alle anderen haben gemäht.
-Das Erntefest wurde Erntemusik oder Eernkuche genannt.
-Dreschen. Beim Lernen wurde der Takt nur gezählt. Keine
Einbindbräuche usw. Am Schluss gab es den Staabwein.
-Hier wurde früher meist Hanf gepflanzt, keine Bräuche da-
bei mehr bekannt.
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Rübenkopf: Wurde meist aus Kürbis hergestellt, aber auch aus
Dickwurz. Name dafür ist nicht bekannt, vielleicht
"Eselschen des Nikeloses"! Er wurde im Freien aufge-
stellt, aber auch mit der Hand von aussen durchs Fen-
ster gezeigt, um drinnen in der Stube die Kinder zu er-
schrecken. Er hatte nie Hörner, trat nie als ganze Ge-
stalt auf, hatte nur gesichtsförmige Lichtöffnungen.
Es kam vor, dass er wenn der Nickelos bei den Kindern
in der Stube war, von aussen durchs Fenster hereinschau-
te. Man sagte dann angeblich zu den Kindern, dass dies
dem Nickelos sein Eselchen sei !!
Nickelsgestalt: Wurde früher Belznickel und Nikeloos, heute nur Nik-
keloos genannt.
Früher erschien er nur am Weihnachtsabend, erst in neu-
rer Zeit kommt er auch am Nikolausabend. In der Zwi-
schenzeit treten keine derartige Gestalten auf.
Dabei kam es früher vor, dass der Belznickel sich als
Bär verkleidet hatte, auf allen Vieren in die Stube ge-
krappelt kam, und von einem Belznickel geführt wurde.
Es kam auch vor, dass zwei Burschen hierbei einen Esel
machten, in dem sie sich mit dem Rücken zueinander stell-
ten. In dieser Stellung band man sie zusammen. Jeder
bückte sich nach einer Seite zur Erde, darüber warf
man eine Decke. Der Kopf war eselähnlich mit Hilfe eines
ausgestopften Wamses hergestellt. Dabei benutzte man
angeblich keine Holzgabel. Der Schwanz war ein Abschwin-
ger eines Pferdes. Auf diesem Esel ritt ein dritter Bur-
sche. Dieser war das Christkind. Dieser Bursche hatte
sein Hemd über die Hosen gezogen. Er trug eine Larve
vor dem Gesicht. Häufig kam er als Mann mit weissem Bart.
Er konnte aber auch als weisse Frau erscheinen. Bur-
schen mit Hemden über den Hosen als Christkindchen, oder
als Belznickel verkleidet, waren meist dabei. Einer hat-
te aus einem Tannenwipfel nach entfernen der Nadeln und
Abschälen der Rinde sich einen Schellenbaum gemacht. Da-
mit wurde dieser Weihnachtsumzug angekündigt. Ketten
waren hier nicht üblich. Gesichtsvermehlungen kamen eben-
falls hier vor.So war es noch Brauch anfangs der 80-er
Jahre.
Wenn man einen Burschen als Belznickel verkleiden woll-
te, dann setzte man ihm eine Zipfelmütze oder einen Hut
auf. Man hängte ihm einen Bart an, seine Hände waren
mitunter geschwärzt. Er kam in alten Kleidern,lumpig,
auch mitunter als alte Frau angezogen im dunklen Rock,
Buckel und Bauchausstopfen kamen vor.Nichts war
angeblich aus Stroh an ihm. Er hatte einen Sack, keine
Kutte, sondern einen Schellenbaum, er Hatte einen alten
Stock mitunter auch eine Laterne. Sie haben geheischt,
aber auch etwas den Kindern mitgebracht, Nüsse Äpfel usw.
Diese Sachen haben sie angeblich nicht ausgeleert, son-
dern ausgeteilt. Wie oben berichtet, kam der Belznickel
oder das Christkind auch auf dem Esel geritten. Das Christ-
kind war aber meist männlich verkleidet,hatte also ei-
nen Bart,trotz des übergeworfennen Hemdes. Alle Mitkom-
enden Burschen waren verkleidet.Sie waren meist 17-18
Jahre alt,manchmal kamen mehr als 10 solcher Burschen in
die Stube. Sie haben für ihr Auftreten Geld erhalten, das
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sie noch am gleichen Abend gemeinsam "verläppert" haben.
Bei ihrem Eintreten in die Stube kam es vor, dass sie sich
hinfallen lassen. Sie heben sich gegenseitig wieder auf .
Die Kinder mussten beten. Bekannt und üblich sind:
Lieber, Lieber Nickolausmann,
ich will dir beten, was ich kann.
E paar alte Schuh, e paar alte Schlappe,
du sollst dich gleich zur Tür rauspacke. Oder
-Christkindchen komm in unser Haus.....
Sie hatten keine Rute bei sich, verlangen auch keinen Stock-
sprung. Sackstecken bei bösen Kindern kommt vor, aber kein
Anschwärzen und Anketten.
Sie tanzten in der Stube untereinander zur Harmonika,
müssen auch ein Lied singen.
-Ihre Heimat: Sie kommen aus dem Rathausspeicher, wenn es
am Weihnachtsabend 8 Uhr läutet, dorthin verschwinden sie
wieder morgens beim 4 Uhr- Läuten.
Weihnachtsbaum: Zuckerbaum genannt, in der Jugend der alten Leute nur
in den Häusern, besserer oder kinderreicher Dorfbe-
wohner, immer stehend in einem Gärtchen,darin Moos
und Schäfchen, immer mit Lichtern,Unruhen sind nicht
bekannt, auch nicht der Adventskranz.
Weihnachtswunder: Kinder haben beim Abendläuten Heu gebunden,jedes
Kind ein Bündelchen, für den Esel des Christkindes. Den
Paten haben sie nichts gebracht beim Abendläuten.
Reden der Tiere,Speisendarbietung,Wasserverwandlung,
Zwiebelkalender usw. sind hier nicht bekannt.
Dienstbotenwechsel: 3. Weihnachtstag ist der Wandertag für Knechte und
Mägde. Diese haben ihre Habe in einem Kasten. Kastenrücken
war hier üblich bei den Mädchen, die nicht wanderten. Mussten
den Burschen dafür ein Trinkgeld bezahlen. Peitschenknallen
der Knechte. Mittags auf dem Gross-Gerauer Markt. Dienstbo-
ten hatten Nachmittagen zwischen Weihnachten und Neu-
jahr frei für sich = Flickwoche.
Zwischen den Jahren: Zeitabschnitt wurde auch Flickwoche genannt,da die
Dienstboten an den Nachmittagen ihr Zeug flicken durften.
Bekannt war, dass man in dieser Zeit nicht spinnen durfte,
sonst würden die Läuse hineinkommen, man durfte nicht wa-
schen, Grund dafür nicht bekannt, man sollte auch nicht ba-
den, und an diesen Tagen kein frisches Hemd anziehen, sonst
bekäme man Schwären.
- In der Jugend der alten Leute gab es noch die Spinnstuben
In der Pause gingen die Mädchen ins Dorf, es wurde "gelup-
pert".
Neujahr: Am Silvesterabend beim Abendleuten wurden die Obstbäume mit
Strohseilen gebunden, damit sie mehr tragen sollten. Es wur-
de dabei auch unter den Bäumen geschossen. Baumbinden ver-
einzelt heute noch Brauch.
-Die Männer gehen in die Wirtschaft, essen , trinken , spielen
Karten. Kein Herauskarten von Brezeln usw. Nach 12 Uhr gibt
der Wirt Freibier. Die Männer gehen zuvor nach Hause und
bringen sich dazu Wurst mit,das sie nun in der Wirtschaft
verzehren.
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Frauen kommen zu Hause zusammen bei Glühwein, kein Bleigies-
sen hier üblich.
-Burschen schossen in der Nacht den Verwandten und Mädchen
das Neujahr an, dabei der übliche Spruch:
Ich wünsch Euch ein glückseliges neues Jahr,
Friede, Gesundheit und ein langes Leben,
und darauf soll es Feuer geben. -Schuss!
Am nächsten Abend bekamen sie dafür in den Spinnstuben von
den Mädchen Kaffee, Kuchen und Bratwurst gestiftet. Die Brat-
würste haben die Burschen den Mädchen dabei mitunter vor-
zeitig schon abgenommen und gegessen.
-Auf das Rathaus hatte der Bürgermeister am Silvesterabend
die Gemeinderäte eingeladen und sie mit Wein, Bier und Essen
bewirtet. Die Jungverheirateten mussten in dieser Nacht
Wache gehen.
-Am Neujahrstag gingen die Buben und Mädchen herum, zu Ver-
wandten und Bekannten, und sagten das Neujahr an mit den Wor-
ten: Prost Neujahr ! Brezel wie e Scheierdohr,
Lebkuche wie e Oweplatt,
wern mer all miteinander satt !
Dafür erhielten sie Brezeln und 20 – Pfennig.
-Das Hörnerschneiden des Rindviehes durch den Kuhhirten ge-
schah nicht an einem bestimmten, sondern einem beliebigen
Tag im Frühjahr, dafür bekam er Eier.-
-Am Neujahrstag soll man Weisskraut und Kümmel essen,dann
geht das Geld im neuen Jahr nicht aus, man soll keine Äpfel
und Nüsse essen, sonst wird man grindig, kein frisches Hemd
anziehen, sonst bekommt man Schwären.
-Waldverbot an einem bestimmten Tag im Jahr ist nicht bekannt
.
Dreikönig: Ganz ohne Brauch.
Peterstag: Da kommen die Störche wieder. Sehen die Kinder den 1. Storch
im Jahr fliegend, dann werden sie fleissig, sehen sie ihn
sitzend dann werden sie faul, hatt er ein sauberes Feder-
kleid gibt es ein trockenes Jahr, ein dreckiges, dann wird
das Jahr nass.
-Am Peterstag läutete es auch zum 1. Mal wieder 4 Uhr, da wälger-
ten sich früher die Kinder auf dem Boden, Grund konnte nicht
angegeben werden. Brauch schon lange hier erloschen.
-Am Peterstag wurden früher hier auch die Hühnerställe ge-
reinigt und gegen Läuse mit Asche bestreut. Ringfüttern aber
ist hier nicht bekannt.
Fastnacht: Keinerlei bäuerliche Bräuche hier mehr in Erinnerung.
Kein besonderes Mittag- und Abendessen. Es werden Kräppel
gebacken, auch in Randform, angeblich aber ohne Mittel-
schnitt.
-Verkleidungen: in der Jugend der alten Leute noch keine Ver-
kleidungen im Ort. Sie können sich genau an die ersten Ver-
kleidungen erinnern,können auch noch die Namen der ersten
Maskierten nennen, geschah erst ab der 80-er Jahre, aber
Anfangs noch ganz vereinzelt. Man zog dann in kleinen Grup-
pen, auch mit Wägelchen, wie die Zigeuner (Haarewagen) he-
rum angeblich dabei kein Sammeln. Aber schon früher, bevor
Verkleidungen üblich waren,zogen die Kinder herum und bet-
teten Kräppel. Kein ortsüblicher Heischespruch. Bekannt ist
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aber das Fastnachtslied:
Wanns Fastnacht ist, da schlacht mei Vadder
en Bock!.....
Genauer, ortsüblicher Wortlaut konnte nicht mehr angegeben
werden.
Sommertag: Ganz ohne Brauch.
Palmsonntag: Bereits in der jugend der alten Leute kam das Palmhäs-
chen und legte den Kindern ein in Zwiebelschalen gekochtes
Ei. Dieser Brauch soll früher viel verbreiteter hier im
Ort gewesen sein, als heute. Für das Palmei wurde auch be-
reits ein Nest gebaut, das man meist bis Ostern stehen
liess. auch fanden fanden die ersten Eierspiele auf den Wiesen
statt: Eierwerfen,aber kein Stossen oder Schiebeln. Siehe
bei Ostern.
Karwoche: Gründonnerstag isst man grüne Pfannkuchen. Die Gründonners-
tagseier wurden am Gründonnerstag gegen Bruch gegessen.
Kein ausbrüten unter der Glucke mit besonderen Eigenschaf-
ten bekannt. Der Tag wird halb gefeiert.
Ostern: Schauen in die aufgehende Ostersonne bekannt. Der Gewährs-
mann d) berichtet, dass sein Vater es einmal beobachtet hät-
te, wie das Osterlämmchen dreimal um die Sonne herumge-
flogen sei.Man hätte es eine halbe Stunde lang beobachten
können. Der Morgen aber muss ganz klar sein. d )selbst hat
schon oft danach Ausschau gehalten, es bis heute aber noch
nicht sehen können.Der Brauch kommt also vereinzelt bis
heute noch vor.
-Osterwasserschöpfen ebenfalls hier bekannt, muss vor Son-
nenaufgang geschehen, unberufen. Man holt es an der Pumpe,
wird an Ostern verbraucht, soll der Gesundheit besonders
dienlich sein.
-Ostertau: ganz unbekannt.
-Der Osterhas legte bereits in der Jugend der alten Leute
die Ostereier in ein Nest. Das Nest war ein rundes, oben
offenes Hasengärtchen aus Stöckelchen mit Moos darin, keine
Lochpflanzen. Es wurden auch Bogenmuster einfacher Art
hergestellt, auch legt man die Eier in einen Busch.
-Eierfärben: In Zwiebelschalen,auch in grünen Saft,den man
durch Klopfen junger Kornhalme bekommen hat. Krazer vor dem
Färben des Eies aus Seife machen, dann färben. Leimeier sind
bekannt,ebenfals Klebeier (Schafgarbe wird hier Schafrippe
genannt). Wickeleier und in Ameisenhaufen gelegte Eier sind
hier unbekannt.
-Eierspiele: Alle Kinder kommen auf der Tuchbleiche zusam-
men, Buben und Mädchen.Die Eier werden hochweit geworfen,
man wirft nicht über Bäume, dabei ruft man: Kaputt oder in
Ranzen! Eierstutzen mit Spielregel von Kindern, kein Eierrol-
len kein Eierlaufen.
-Besondere Eier:
Unglückseier werden rückwärts über das Haus geworfen.Das
Ei ohne Kalkschale = Schaalei wird verbraucht.
Das zahnende Kind bekommt ein Ei geschenkt mit einem Spruch.
Keine Bezeichnung für dieses Ei. Eierketten werden aus Vogel-
eiern hergestellt und im Zimmer, meist an den Spiegel, ge-
hängt.
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Maibrauch: Erste Mainacht wird Hexennacht genannt, keine Erinner-
ungen mehr an das Anschreiben von Kreuzen usw.an die
Türen, das Auslegen gekreuzter Besen usw. Man sollte
aber in dieser Nacht nicht an einen Kreuzweg gehen, ge-
hen und dabei ein Ei in der Tasche haben. Die Hexen,
die man nicht sehen könnte, würden versuchen, das Ei
einem in der Hosentasche zu verdrücken. Wenn dies ge-
schehen sei, hätten sie mit dem Eidotter den betr. Men-
schen auch das Herz abgedrückt, so dass er sterben
müsste.
-Die Burschen machen in der 1. Mainacht oder am 1. Samstag
auf Sonntag im Mai eine Maitur in den Wald, dabei wur-
den Maiblumen usw. gesucht.
Maienstellen den Mädchen, Mädchenversteigerungen usw.
sind nicht bekannt.
-Maibaum wurde nur bei Bürgermeisterwahl gestellt,
war eine Fichte mit Kranz.
-Keine Erinnerung an Laubgestalten im Mai oder an
Pfingsten, kein Brunnenschmücken usw.
-Die Kinder stellten im Frühjahr Weidenpfeifen, Schal-
meien und Fazert aus Rinde her. Ihr Klopfspruch lau-
tete:
Saft, Saft,Seide
hinners Bäckers Weide
leiht de Hund begrowe,
fresse alle Rowe,
fresse alle wilde Schwein,
Modder gebb mer e Nädelche !
Was willst de mit dem Nädelche duh?
Säck pflicke.
Was willste de mit de Säck du ?
Stoa lese !
Was willste mit de Stoa duh ?
Vögelcher werfe !
Was willst de mit de Vögelcher du ?
Brode ! Dass mei Pfeife ganz gut gerode !
Himmelfahrt: Waldausflüge, Burschen und Mädchen, oft auf Wagen, meist
nach Gross- Gerau in den Park, dort Tanzmusik. Früher wur-
den auch Heilkräuter gesucht (d). Es waren dies Pflanzen,
deren Blättchen dicht über dem Boden lagen. Für Tee bei
Mensch und Vieh.
Pfingsten: Früher Schulanfang und Konfirmation. Bekannt der Bauern-
spruch, dass der Bauer an Pfingsten " am wingsten " hat.
Johannis: Keine Johannisfeuer auch nicht in der Umgebung, nur Feu-
er früher an Sedan, immer in Gross-Gerau, einmal auch in
Berkach, aus Wellen.
Jakobstag: Die Kinder bekamen für das Lied: Habt acht auf mich: einen
6-Pfennig-Weck. Auf der Strasse sangen sie:
Habt acht auf mich in aller Not,
gebt mir fürn Kreuzer Käsebrot.
Gebildbrote: Weihnachten: früher, vereinzelt, Bobben mit gehängelten Ar-
men. Dass die Buben gebackene Hasen bekamen, nicht mehr
in Erinnerung. Neujahr: Brezeln. Keine Bubenschenkel usw.
Kinder: Bringt das Boadfrauchen aus dem Bach. Keine Angaben über
die Nachgeburt.
Schule: Zum Schulbeginn ein Weck oder ein Zuckerklumpen, bei der
Schulprüfung: Weck, zur Schulentlassung: Nichts.
Burschung: Keinerlei Bräuche bekannt, bei Vereinen Einstand bezahlen.
Fremder Bursche, der sich ein Mädchen aus dem Ort holen
wollte, musste bezahlen, sonst bekam er Hiebe.
Musterung: In Gross-Gerau, zu Fuss wurde hinmarschiert, anschliessend
Umzug im Ort mit Fahnenschwinger, Eier wurden gesammelt, die
sich die Burschen dann in der Wirtschaft backen liessen, die
Mädchen bekamen die schönsten Bandschlüpp geschenkt.
Beim Umzug im Ort hatten die Burschen ein Fass Bier im
Drückkarren bei sich und boten den Bewohnern daraus an.
Verlobung: Verlobung unter diesem Namen mit Ringwechsel bereits in der
Jugend der alten Leute. Keine Bräuche mit dem Aushang des
Standesamtes.
Die Braut war schwarz gekleidet, trug einen Kranz und ein
Sträusschen an der Brust.
Donnerstags vor der Hochzeit, die Sonntags stattfand, zog
die Braut mit ihrer Habe im geschmückten Wagen um. War die
Braut aus einem anderen Ort, wurde dieser Wagen gehemmt.
Das Gotekissen ist hier nicht bekannt.
Beim Kirchgang am Sonntag wurde früher geschossen, in neu-
er Zeit wird auch gehemmt.
Nacht um etwa 12 Uhr wurde der Braut der Schuh gestohlen.
Burschen versuchten dies zu tun, der Hochzeiter musste ihn
zurückkaufen. Dann wurde der Schuh mit einem Glas Wein im
Schuh an alle herumgereicht. Abkränzen nicht bekannt.
Die Köchin sammelt, da sie sich den Arm verbrannt hat.
Nachts werden die Hochzeitsgeschenke mit einem Spruch über-
reicht.
Tod: Ankündigung, wenn das Käuzchen ruft, bei weissen Rübenblatt,
wenn der Maulwurf unter der Dachtraufe hochstösst.
Leichenschmaus wurde Flannerts genannt. Flannertskuchen war
ein trockener Kuchen mit Verzierungen durch Messerschnitte
darauf: Längslinien, Blumen, Diagonallinien und gewürfelt.
Tracht: In der Jugend der alten Leute trugen die alten Frauen noch
weisse Käppchen,Name nicht bekannt. Auch Saimagen=Schlaf-
haube, oder Strohhüte. Beim Abendmahl trugen Die Frauen
weisse Hauben.
-Männer trugen Zylinder, deren Haare man gegen den Strich
büstete, Sie hatten lange, blaue Kirchenröcke an, lange Ho-
sen und Stalltüren
Steinsetzer Sie setzten die Steine in Werktagskleidung. Nur unter be-
sondere Steine kamen Unterlagen, die geheim waren.Die Un-
terlagen waren Schieferstücke mit den darauf geschriebenen
Namen der Feldgeschworenen.
Starkenburg Band 4.
Aufbereitung: Alfred Stieglitz
Eberhard Strauß und Alfred
Stieglitz entdeckten im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt ein Dokument das unsere lückenhafte Ortsgeschichte um ein sehr interessantes Segment erweitert. Es handelt sich um das Ergebnis einer Befragung, die offensichtlich dem Zweck
diente, die Sitten und Bräuche in Berkach nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Drei, der bei der Befragung anwesenden Personen, sind auf der folgenden Abbildung zu sehen:

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Bei der Aufbereitung des, z.T. kaum lesbaren Dokumentes wurde vor allem Wert auf die detailgetreue Wiedergabe, des im Original mit Schreibmaschine verfaßten Textes gelegt (je nach Einstellung der Schriftgröße Ihres Browsers können sich evtl. einige Zeilenumbrüche verschieben).
Das Dokument

